ESG als Herausforderung für die Beiratsarbeit

April 17, 2024

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Die Bedeutung von ESG für Unternehmen und damit auch für die Arbeit von Beiräten macht deutlich, dass die Führungsgremien von Unternehmen eine klare Verantwortung und das entsprechende Wissen haben müssen, um das Thema qualifiziert diskutieren und umsetzen zu können. In diesem Zusammenhang muss der Beirat zunächst festlegen, wer in der Unternehmensleitung für das ESG-Thema insgesamt verantwortlich ist.

Aufgrund der zentralen Bedeutung für die Unternehmensstrategie, das Personalwesen und die Governance muss der Geschäftsführer die Verantwortung übernehmen und vom Beirat einen klaren Auftrag zur Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen erhalten. Ebenso sollte der Beirat in der Lage sein, den Grad der Ambitionierung der strategischen Ziele und die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen zu bewerten.

Hier sind vier Aspekte, in denen Beiräte Unternehmen unterstützen können:

  • Finanzierung

Die Kreditvergabe ist zunehmend eingeschränkt, und die Kosten für die Finanzierung von Aktivitäten, die nicht den EU-Umweltzielen entsprechen (Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Vermeidung und Verringerung der Umweltverschmutzung, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und Schutz oder Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme), steigen.

Während sich die Bedingungen für besonders nachhaltige Unternehmen wahrscheinlich verbessern werden, was einen Wettbewerbsvorteil darstellt, könnten weniger nachhaltige Unternehmen mit erheblichen Kostensteigerungen oder sogar einem begrenzten Zugang zu externem Kapital konfrontiert sein.

  • Offenlegung

Die gestiegenen Transparenzanforderungen in Bezug auf die ESG-Compliance haben zu einem erhöhten Informationsbedarf geführt. Einerseits haben die Banken ihre Berichtspflichten gegenüber den Unternehmen aufgrund ihrer Verpflichtung zur Offenlegung eingegangener ESG-Risiken erheblich ausgeweitet.

Andererseits sind es die eigenen Berichtspflichten der Unternehmen, die mit einer erheblichen Zunahme der erhobenen Daten und Informationen einhergehen. Die Verpflichtung zur Offenlegung dieser Informationen birgt zwei Risiken: Erstens das Risiko, dass die geforderten Informationen nicht bereitgestellt werden können, weil sie nicht erhoben wurden. Zweitens besteht das Risiko, dass die gesammelten Informationen falsch oder unvollständig sind. In beiden Fällen können sich für das Unternehmen erhebliche Nachteile ergeben.

  • Haftung

Unternehmen müssen die Risiken und Chancen, die sich aus ESG-Anforderungen für ihr Geschäft ergeben, erkennen und managen. Geschieht dies nicht, kann es zu großen Streitigkeiten mit fast allen Stakeholdern kommen, seien es Streitigkeiten mit Lieferanten in Bezug auf LkSG oder Klagen in Bezug auf Umweltverschmutzung. Auch Streitigkeiten mit Investoren oder Kreditgebern in Bezug auf die Offenlegung von ESG-relevanten Informationen sind denkbar. Verstöße können zu Schadensersatzforderungen, Strafverfahren oder empfindlichen Bußgeldern führen.

  • Unternehmensimage

Ein unangemessener Ansatz in Bezug auf ESG kann auch erhebliche Auswirkungen auf das Image eines Unternehmens haben. In der Vergangenheit hat sich das bewährte “Greenwashing” – also das Anpreisen grüner Versprechen, ohne diese tatsächlich einzuhalten – oft als erheblicher Imageschaden erwiesen. Aber auch Fehlverhalten in den Bereichen Mitarbeiter und Governance hat in der Vergangenheit immer wieder zu Skandalen geführt. In einigen Fällen mussten die betroffenen Unternehmen einen erheblichen Imageschaden in Kauf nehmen, da die Erfahrung gezeigt hat, dass Stakeholder und insbesondere die Endkunden ein solches Fehlverhalten hart und öffentlichkeitswirksam, auch über die sozialen Medien, ahnden.

Um diese vier Aspekte im Detail zu behandeln, sollten die Beiräte die Geschäftsführung bei den folgenden Aufgaben unterstützen:

  • Wesentlichkeitsanalyse durchführen

In dieser Analyse werden die wichtigsten ESG-Handlungsfelder des Unternehmens mit den entsprechenden Prioritäten dargestellt. In einem ersten Schritt werden die ESG-relevanten Themen aus Sicht des Unternehmens und seiner Stakeholder eingegrenzt.

Diese Themen werden dann von der Unternehmensleitung und den Stakeholdern hinsichtlich ihrer Relevanz und Bedeutung (Prinzip der doppelten Wesentlichkeit) bewertet (Stakeholder-Dialog). Die Ergebnisse werden dann im Beirat diskutiert und die entsprechenden Handlungsfelder hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Risikomanagement, die Unternehmensstrategie und die entsprechenden Ziele und Maßnahmen bewertet.

  • Konkrete ESG-Maßnahmen festlegen

Die Geschäftsführung sollte einen konkreten Plan für die relevanten ESG-Handlungsfelder aufstellen und darlegen, welche Ziele sie kurz-, mittel- und langfristig erreichen will. Es ist ratsam, sich an den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) zu orientieren. Daraus lässt sich ein Indikator- und Berichtsstandard für das Management von ESG-Maßnahmen und -Zielen entwickeln, der auch als Grundlage für die externe Berichterstattung dienen kann. Der Beirat muss dann die vorgeschlagenen Maßnahmen bewerten, um ihre Eignung und Vollständigkeit zur Erreichung der definierten ESG-Ziele zu überprüfen.

  • Einbeziehung von ESG-Kriterien in die Unternehmensstrategie

Die von der EU gesetzten Umweltziele müssen eindeutig in die Unternehmensstrategie integriert werden. In diesem Zusammenhang muss der Beirat gemeinsam mit der Geschäftsleitung die Handlungsfelder im Einklang mit diesen Zielen analysieren, um die Strategie entsprechend weiterzuentwickeln.

Neben Themen aus dem Bereich Environment gilt es aber auch Aspekte aus den Bereichen Social und Governance in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Zu nennen sind hier im Bereich Social z.B. Zielehinsichtlichder Chancengleichheit, der verbesserten Arbeitsbedingungen oder der Wahrung der Menschenrechte. Im Bereich Governance geht es z.B. um eine effektive Compliance, ein angemessenen Risikomanagement, eine hohe Transparenz über Rolle und Zusammensetzung der Führungsgremien oder auch ein klares Bekenntnis zu einem hohen Grad an Unternehmensethik und Antikorruption.

  • Risiken und ihr Management definieren

Im Hinblick auf das Risikomanagement sollte der Beirat diskutieren, inwieweit die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse in das Risikomanagement einfließen sollen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich aus den relevanten Geschäftsfeldern Risiken für das Unternehmen ergeben, die sich bei ihrem Eintritt negativ auf den Fortbestand des Unternehmens auswirken können. Dazu gehören Umsatz- und Ertragsrisiken ebenso wie Finanzierungs-, Haftungs- und Imagerisiken.

Die Risiken sollen klar definiert und mögliche Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Verminderung definiert werden. Darüber hinaus sollte eine Person in der Geschäftsleitung benannt werden, die dieses Risiko steuert.

  • Festlegung von Richtlinien für die Zielüberwachung

Der Beirat sollte festlegen, in welchem Umfang und in welcher Form er über den Fortschritt der Aktivitäten zur Überwachung der vereinbarten ESG-Ziele und -Kennzahlen informiert werden möchte, ein regelmäßiger Bericht auf den Sitzungen ist sinnvoll. Da eine monatliche oder vierteljährliche Erhebung für viele Kennzahlen aus Kosten- und Wissensgründen nicht sinnvoll ist, empfiehlt sich ein halbjährlicher Fortschrittsbericht. Dabei sollten die Ziele, der aktuelle Stand und die Gründe für eventuelle Abweichungen besprochen werden.

  • ESG-Ziele in der Managementsvergütung integrieren

Um der Erreichung vereinbarter ESG-Ziele Priorität einzuräumen, ist es ratsam, sie in das Bonussystem des Managements zu integrieren. Es hat sich bewährt, Ziele zu vereinbaren, die auf vereinbarten und messbaren GRI-Indikatoren basieren. Je nach Ausgestaltung des Bonussystems und des Geschäftsmodells sollte sich die Vereinbarung auf die wichtigsten Kennzahlen in den verschiedenen ESG-Bereichen und auf Jahresziele konzentrieren. Es sollte eine Bandbreite von Zielen mit entsprechenden Erreichungsgraden festgelegt werden.

Fazit

Die Anwendung von ESG-Zielen in der Unternehmensstrategie wird nicht nur die Beschaffung von Finanzmitteln erleichtern, sondern sich auch positiv auf das Unternehmensimage auswirken, vorausgesetzt, diesen Aspekten werden im Gegensatz zu Greenwashing-Praktiken auf echte Weise umgesetzt.

Hier können Beiräte eine große Hilfe für Unternehmer sein, wenn es darum geht, die aktuelle Situation des Unternehmens zu bewerten und festzustellen, in welchen Bereichen solche Kriterien eingeführt werden können. Dabei ist es unerlässlich, dass sowohl das Management als auch die Beiräte über Kenntnisse der Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien verfügen und die neuesten EU-Richtlinien kennen.