Beiräte: aktuelle Diagnose

September 26, 2023

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Die Zahl der Familienunternehmen mit Beiräten nimmt stetig zu. Seit 2002 hat sich der Anteil der Familienunternehmen mit einem solchen Gremium laut einer Studie von PwC von nur 39 % auf 83 % im Jahr 2020 mehr als verdoppelt.

Familienunternehmen vertrauen auf dieses Gremium als Sparringspartner auf Augenhöhe, der bei strategischen und schwierigen Entscheidungen berät, herausfordert und Mut zuspricht.

In den letzten zwanzig Jahren haben sich in diesem Tätigkeitsbereich wichtige Veränderungen vollzogen, darunter die folgenden:

Mehr als nur Beratung

Neben der Beratung der Geschäftsführung in strategischen Fragestellungen (91 %) kontrolliert der Beirat die Geschäftsführung (81 %) und genehmigt wichtige Investitionsentscheidungen (79 %). Damit übernimmt er immer stärker aufsichtsratsähnliche Kompetenzen. 2002 waren nur 45% der Beiräte mit Aufsichtsfunktionen betraut.

Familienverfassung dient als normativer Rahmen für den Beirat

Nach dem PwC-Report verfügen nur 46% der befragten Unternehmerfamilien über eine entsprechende Verfassung.

Die Familienverfassung enthält Aussagen zur Führungsstruktur, Regelungen zur Nachfolge und zur Organisation der Kontrolle durch den Beirat. Darüber hinaus beinhaltet dieses Dokument den Rahmen für die langfristige strategische Ausrichtung des Unternehmens und legt Finanzierungs- und Risikorichtlinien fest.

Familie spielt weiterhin eine wichtige Rolle

81 % der Familienunternehmen besetzen ihre Gremien unter anderem mit Gesellschaftern oder Familienmitgliedern. Immerhin nimmt auch die Zahl der Unternehmen zu, in denen neben den geschäftsführenden Gesellschaftern ausschließlich oder zusätzlich familienfremde Personen vertreten sind.

Es ist jedoch erwähnenswert, dass 85 % der Familienunternehmen von mindestens einem familienfremden Manager abhängen. Die Eigentümer bilden ein Gegengewicht im Vorstand, um sicherzustellen, dass familienfremde Manager in ihrem Interesse handeln.

Zum Vergleich: 2013 lag der Anteil der Familienmitglieder in den Verwaltungsräten noch bei 67 %. Zu diesem Zeitpunkt waren nur 74 % der Verwaltungsräte mit familienfremden Managern besetzt.

Frauen erobern die Beiräte

Mehr als die Hälfte der Familienunternehmen (54 %) berufen inzwischen Frauen in ihre Beiräte. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 lag der Frauenanteil noch bei 10 %. Mit 56 % sind Frauen sogar häufiger in Beiräten (56 %) als in Aufsichtsräten (50 %) vertreten.

Anders sieht es auf der Führungsebene aus: Nur 29 % der Familienunternehmen haben Frauen in den Vorständen.

Beiratsmitglieder sind im Schnitt zu alt

Das Durchschnittsalter ist immer noch hoch. Nur 6 % der Beiräte haben Mitglieder, die unter 30 Jahre alt sind. Jedes fünfte Unternehmen verlangt sogar ein Mindestalter von 30 Jahren für die Mitgliedschaft in einem Beirat. Die NextGens, die neue Generation von Unternehmern unter 30 Jahren, sind in Beiräten unterrepräsentiert. Sie sind nur in 15 % der Beiräte ständige Mitglieder.

Dies spiegelt sich auch in der Altersstruktur der Beiräte wider: Die jüngsten Mitglieder sind im Durchschnitt 46 Jahre alt, die ältesten 68 Jahre alt.

Die meisten Familienunternehmen sind davon überzeugt, dass Alter und Erfahrung entscheidend für die Kompetenz der Beiratsmitglieder sind, vergessen dabei aber, dass es oft die jüngere Generation ist, die über die neuesten Fähigkeiten verfügt.

Digitalisierung? Fehlanzeige

Die Kompetenzanforderungen an die Beiratsmitglieder sollten sich aus den ihnen zugewiesenen Aufgaben und aus den Kernkompetenzen ableiten, die das Unternehmen in Zukunft benötigen wird. Nach der PwC-Studie sind kaufmännische und strategische Kenntnisse – die zweifellos wichtig sind – in Beiräten reichlich vorhanden (93 % bzw. 88 %). Darüber hinaus verfügen die meisten Beiräte über Kenntnisse in den Bereichen Produktion (63 %) und Marketing (58 %). Fachwissen – z. B. über Transaktionen und Innovation – ist weit weniger häufig. Und nur ein Viertel (27 %) der Beiräte hat Kenntnisse über die Digitalisierung.

Diese Zahlen machen deutlich: Die Kompetenzen der Beiräte verändern sich nicht annähernd so schnell wie die Anforderungen des Marktes. Eine zeitgemäße Erweiterung der Expertise und Kompetenzen von Beiräten ist dringend notwendig. Nur dann werden Beiräte in der Lage sein, neue Geschäftsmodelle, digitale Technologien und Nachhaltigkeitsthemen maßgeblich voranzutreiben und einen neuen Blick auf das Unternehmen zu werfen.

Der Mix macht’s

Die Zusammensetzung der Beiratsmitglieder ist entscheidend für den Erfolg ihrer Arbeit. Dies hängt natürlich vom Geschäftsmodell und der Geschäftsstrategie ab. Ein Beirat, der nur aus Finanzexperten besteht, wird wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, ein Unternehmen in Sachen Innovation und Internationalisierung zu beraten.

Umgekehrt werden Unternehmen, die vor der Nachfolge oder dem Wachstum durch Übernahmen stehen, von Beiratsmitgliedern profitieren, die über Erfahrungen in den Bereichen Family Governance und Transaktionsfragen verfügen. Da die Strategien regelmäßig an die Markt- und Technologieentwicklung angepasst werden müssen, sollte auch die Zusammensetzung des Beirats immer wieder überprüft und von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand gestellt werden. Auch die Zusammensetzung des Beirats sollte von Zeit zu Zeit überprüft werden. Damit dies automatisch geschieht, sollten die Beiratsmitglieder für einen begrenzten Zeitraum ernannt werden.

Beiratsmitglieder werden kaum strukturiert gesucht

Die Auswahl von Familienmitgliedern für einen Sitz im Beirat erfolgt nur in jedem fünften Familienunternehmen nach einem festen und standardisierten Verfahren. Bei den externen Familienbeiratsmitgliedern ist dies noch seltener der Fall (16%). Ohne ein Anforderungsprofil und ein professionelles Auswahlverfahren würde kaum ein Geschäftsführer eingestellt werden.

Tatsächlich haben 80 % der Unternehmer, die einen Beiratsposten besetzen wollen, einen Namen im Kopf, der aus ihrem eigenen Netzwerk stammt.

Die Notwendigkeit und der Nutzen eines ordnungsgemäßen Such- und Auswahlverfahrens sind derzeit ein Trugschluss, wenn man bedenkt, dass Beiratsmitglieder durchschnittlich zehn Jahre im Amt bleiben.

Unregulierte Vergütung

Das breite Aufgabenspektrum und die zunehmende Verantwortung der Beiratsmitglieder spiegeln sich nur bedingt in der Vergütungsstruktur wider: Ordentliche Beiratsmitglieder erhalten im Durchschnitt zwischen 10.000 und 20.000 Euro pro Jahr. Etwas weniger als die Hälfte (45%) der Gesellschafter vergüten ihre Beiratsmitglieder mit mehr als 20.000 Euro.

Stellvertretende Vorsitzende und Vorsitzende werden natürlich besser bezahlt als normale Beiratsmitglieder: im Durchschnitt 25.000 bzw. 40.000 Euro pro Jahr. Ein Viertel der Vorsitzenden erhält sogar mehr als 50.000 Euro.Der Gehaltsunterschied spiegelt das größere zeitliche Engagement der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden wider. Sie müssen u.a. alle Sitzungen vorbereiten und sind jederzeit erster Ansprechpartner für die Geschäftsführung.

Die Tatsache, dass mehr als ein Viertel der befragten Unternehmen ihre Beiräte immer noch mit weniger als 10.000 Euro pro Jahr vergüten, steht nicht im Einklang mit den steigenden Anforderungen an die Mitglieder.

Zudem erschwert eine nicht wettbewerbsfähige Vergütung die Gewinnung der besten Köpfe, insbesondere von Unternehmern und aktiven Führungskräften, die neben ihrer Haupttätigkeit nur eine oder zwei Amtszeiten in Beiräten akzeptieren können. Schließlich werden vergleichbare Aufgaben in einem börsennotierten Unternehmen viel besser vergütet.

Ständige Bewertung fehlt

Jedes Team sollte sich in regelmäßigen Abständen fragen: Was läuft gut und wo müssen wir etwas ändern? Leider haben viele Beiräte noch keinen Prozess des kontinuierlichen Lernens durch Feedback und Evaluation etabliert. Mehr als die Hälfte der Familienunternehmen bewertet nicht regelmäßig die Effektivität der Beiratsarbeit. In jedem fünften Unternehmen sind die Gesellschafter für die Bewertung ihres Aufsichtsgremiums zuständig.

In 17 % überlassen die Gesellschafter die Bewertung des Wertbeitrags dem Beirat selbst, und in jedem zehnten Familienunternehmen bewerten Geschäftsführung und Beirat diesen gemeinsam, unabhängig von der jeweiligen Befangenheit der Gremien. Nur 2 % bewerten die Arbeit des Beirats mit Hilfe eines spezifischen Bewertungsverfahrens. Auch hier gibt es Verbesserungspotenzial.

Abschließend ist anzumerken, dass sich die Unternehmen zunehmend auf einen Beirat verlassen, der seinerseits immer mehr Aufgaben wahrnimmt. Viele Unternehmer vergessen jedoch, wie wichtig eine ständige Überprüfung dieser Beiräte ist, um sicherzustellen, dass ihre Mitglieder über die vom Markt geforderten Kompetenzen verfügen, einschließlich derjenigen, die mit der digitalen Transformation und Innovation zusammenhängen. Parallel dazu müssen die Vergütungen überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie den erforderlichen Kompetenzen entsprechen.

Auch die wachsende Rolle von Frauen und neuen Generationen in Beiräten sollte nicht übersehen werden, da beide für den Aufbau vielfältiger, innovativer und kompetenter Beiräte unerlässlich sind.