4-Tage-Woche: was ist zu beachten?

November 7, 2023

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Gesundheit wird immer wichtiger, ebenso wie eine optimale Work-Life-Balance. Deshalb wird die Vier-Tage-Woche zu einer Alternative, um die Lebensqualität für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verbessern.

Das derzeitige Modell in Deutschland lautet: acht Stunden pro Tag, fünf Tage pro Woche, zwei freie Tage. Die Vier-Tage-Woche würde bedeuten, dass die Arbeitszeit auf vier statt auf fünf Tage verteilt wird. Aber wie werden die Stunden verteilt? Der Arbeitgeber kann bestimmen, wie die Arbeitszeit in seinem Unternehmen verteilt wird, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist.

Gleichzeitig kann er aber auch nicht einfach die Arbeitszeit reduzieren. Im Idealfall sollte der Arbeitgeber die Einzelheiten einer Vier-Tage-Woche mit dem Betriebsrat oder – in kleineren Betrieben – gemeinsam mit seinem Team aushandeln. Es ist wichtig, dass alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden. Es ist zum Beispiel nicht zulässig, dass nur einige Arbeitnehmer vier Tage pro Woche arbeiten dürfen, andere aber nicht, ohne dass es dafür eine Begründung gibt.

Vor und Nachteile

Von 61 Unternehmen, die an einer britischen Studie teilgenommen haben, beabsichtigen 56, das Vier-Tage-Modell sechs Monate nach seiner Einführung vorerst beizubehalten.

Der Studie zufolge waren die Mitarbeiter insgesamt zufriedener und gesünder und gaben an, mehr Zeit für persönliche Interessen, Hobbys, Familie und Freunde zu haben. Auch auf die Produktivität habe es keine negativen Auswirkungen gegeben.

Ab 2024 werden 50 deutsche Unternehmen die Vier-Tage-Woche als Pilotprojekt sechs Monate lang teste. Deswegen halte ich es für wichtig, die Vor- und Nachteile dieser neuen Maßnahme abzuwägen.

Zunächst einmal ermöglicht eine 4-Tage-Woche den Arbeitnehmern mehr Zeit für ihr Privatleben, d. h. für Familie, Freunde, Hobbys, Termine, Besorgungen usw.  Außerdem bedeutet ein Arbeitstag weniger mehr Regenerationszeit. Der Stresspegel sinkt, man fühlt sich entspannter und zufriedener.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass Arbeitnehmer, die mehr Freizeit haben, eher bereit sind, in ihre berufliche Weiterbildung zu investieren. Unter Berücksichtigung der Pendlerkosten ist ein Arbeitstag weniger gut für den Geldbeutel: Es entstehen weniger Fahrtkosten und weniger Verkehr, was sich auch positiv auf die Umwelt auswirkt.

Andererseits kann diese Maßnahme auch positive Auswirkungen für Unternehmer haben. Wie Pilotprojekte gezeigt haben, steigert sich bei einer 4-Tage-Woche die Produktivität. Mitarbeiter sind bis zu 60 % produktiver, und die Arbeit wird effizienter erledigt, weil man sich besser konzentrieren kann. Ebenso stiegen Motivation und Kreativität nachweislich an.

Parallel dazu gehen kürzere Arbeitswochen mit weniger Stress einher, so dass die Arbeitnehmer weniger erschöpft und gesünder sind. Das Ergebnis: weniger Krankheitstage.

Schließlich kann die 4-Tage-Woche ein Vorteil für das Employer Branding sein: sie ermöglicht es den Unternehmen, sich im Kampf um Talente von ihren Konkurrenten zu unterscheiden und kann sie für Bewerber attraktiver machen.

Dieses Pilotprojekt hat jedoch auch potenzielle Nachteile. Bleibt erstens die Zahl der Arbeitsstunden gleich, würde die Arbeitszeit verlängert. Dabei ist es wichtig, die im Arbeitsschutzgesetz festgelegte Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag zu berücksichtigen. Allerdings gibt es derzeit keine spezifische Regelung für den Fall, dass Überstunden nötig sind.

Es wird wenig darüber diskutiert, ob es möglich ist, die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit zu erledigen. Aus diesem Grund kann eine Arbeitszeitverkürzung den Stresspegel der Arbeitnehmer erhöhen, da sie das gleiche Arbeitspensum in kürzerer Zeit erledigen müssen.

Drittens bleibt bei kürzeren Arbeitszeiten weniger Zeit für Pausen und soziale Kontakte innerhalb der Belegschaft. Dies kann sich auf die Effizienz, die Zufriedenheit und das Arbeitsumfeld auswirken. Und dann kommt die größte Sorge der Beschäftigten: Die 4-Tage-Woche kann unter Umständen mit einer Lohnkürzung einhergehen und nicht alle Arbeitnehmer können sich dies leisten. Ebenso können es sich nicht alle Arbeitgeber leisten, die Löhne durch weniger Arbeitsstunden auszugleichen.

Ebenfalls kann es für Unternehmen schwierig sein, wenn die Belegschaft aufgrund einer 4-Tage-Woche für Kunden, Dienstleister und dergleichen weniger erreichbar ist. In diesem Fall sollte ein Schichtmodell in Betracht gezogen werden.

Fazit

Ist die 4-Tage-Woche sinnvoll oder nicht? Letztlich kommt es auf das Unternehmen und seine Prozesse an. Deshalb führen viele Arbeitgeber das flexible Arbeitsmodell nicht sofort ein, sondern probieren es über einen längeren Zeitraum aus und ziehen dann eine Bilanz.

Manche Unternehmen sind in dem Sinne flexibel, dass sie die Mitarbeiter selbst entscheiden lassen, ob sie eine traditionelle 5-Tage-Woche oder eine 4-Tage-Woche bevorzugen. Ab dem nächsten Jahr werden wir einen besseren Einblick in die Wirksamkeit dieser Maßnahme in Deutschland erhalten, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf persönliche und berufliche Aspekte für alle Mitglieder des Unternehmens, von der Geschäftsleitung bis zu den Mitarbeitern.